Familie für Alle!

Nach der Ehe für Alle nun auch die Familie für Alle?

Seit Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland offiziell heiraten. Dafür wurde der Wortlaut von § 1335 BGB geändert. Er lautet nun nicht mehr:

Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen.

§ 1335 BGB alte Fassung seit 1977-2017

sondern

Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“

§ 1335 BGB aktuelle Fassung

Bei anderen Normen im deutschen Zivilrecht ist die Möglichkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe aber noch nicht angekommen. So lautet § 1591 BGB immer noch:

Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.

§ 1591 BGB seit 1998 aktuelle Fassung

Ebenso definiert § 1592 BGB die Vaterschaft:

„Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (…)

§ 1592 BGB seit 1998 aktuelle Fassung

Das Bürgerliche Gesetzbuch geht von einer „traditionellen“ heterosexuellen cis Familie mit einem Vater und einer Mutter aus. Dies entspricht aber, wie die Gesetzesnovelle 2017 gezeigt hat weder der juristischen Sachlage noch der Lebensrealität vieler Familien in Deutschland. Nicht nur homosexuelle Paare werden durch den Gesetzeswortlaut ausgegrenzt. Auch transsexuelle Menschen und polyamor lebende Familien finden sich in diesem Wortlaut nicht wieder.

Und so zogen auch zwei lesbische Paare in Berlin und in Celle vor Gericht. Beide Paare haben sich durch Samenspende den gemeinsamen Kinderwunsch erfüllt. Nun wird aber in beiden Familien nur die Frau die das Kind zur Welt bringt rechtlich Mutter des Kindes. Der Wortlaut des § 1592 Nr. 1 BGB schließt deren Ehepartnerin aber aktuell noch von der automatischen Elternschaft aus.

Dabei ist auch § 1592 Nr. 1 BGB nicht an eine biologische Elternschaft des Ehemannes geknüpft. Ein Ehemann wird unabhängig davon Vater des Kindes seiner Ehefrau, ob er biologisch mit dem Kind verwand ist. Heterosexuelle verheiratete Paare können sich ihren Kinderwunsch also auch durch Samenspende erfüllen, während dies gleichgeschlechtlichen Paaren weiterhin verwehrt bleibt.

Die Ehepartnerinnen der Mütter ,die nun in Berlin und Celle geklagt haben, müssten nach aktueller Gesetzeslage das Kind ihrer Ehefrau im Rahmen einer „Stiefkindadoption“ adoptieren um eine rechtliche Verwandtschaft herzustellen.

Noch kurioser wäre die Situation in einer lesbischen Partnerschaft, in der eine der Frauen trans wäre. Das Paar wäre in der Lage dazu biologisch ein gemeinsames Kind zu zeugen, allerdings müsste die trans Frau anschließend ihr eigenes Kind adoptieren um als dessen Elternteil zu gelten.

Ein Adoptionsprozess ist auch keine simple Formalität. Er ist kostspielig und langwierig. Die Eltern sind dabei darauf angewiesen, dass ihnen von der zuständigen Behörde die Elternschaft „erlaubt wird“. Ein demütigendes und diskriminierendes Verfahren bedenkt man, dass gleichgeschlechtliche Paare eigentlich nach der Gesetzesnovellierung von 2017 den heterosexuellen Paaren „gleichgestellt“ sein sollten.

Nun erscheint ein Silberstreif am rechtlichen Horizont, denn das KG Berlin und das OLG Celle haben entschieden, die bei ihnen abhängige Verfahren, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Sollte dieses zu dem Ergebnis kommen, dass in § 1592 BGB ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (Art 3) oder auch gegen Art 6 (Schutz der Familie) vorliegt, wäre die Legislative gezwungen die Norm zu ändern.

Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur § 1592 BGB sondern das gesamte deutsche Zivil- und Familienrecht ein Update erfährt, der die Rechtslage der gelebten Realität vieler, deutscher Familien anpasst.