Darf ich mein Kind impfen lassen oder darf ein Elternteil die Impfung verweigern?
Ob das gemeinsame Kind geimpft werden soll oder nicht, ist nicht nur bei getrennt lebenden Eltern ein häufiges Streitthema. Die Gruppe der Impfkritiker, -gegner und -skeptiker wächst. Bereits vor der Corona Pandemie entbrannte der Streit um den Zugang von Kindern ohne Impfschutz zu Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen.
Nun hatte das das OLG Frankfurt Anfang März zu entscheiden, ob Kinder bei Uneinigkeit der Eltern geimpft werde dürfen. Es ist nämlich möglich, einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis über einzelne Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind zu übertragen. Dies hatte die Mutter des 2018 geborenen Kindes zunächst beim Amtsgericht beantragt. Die Eltern hatten in diesem Fall die gemeinsame Sorge für das Kind inne. Grundsätzlich müssen bei einer gemeinsamen Sorge alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden.
Über die Empfehlungen der STIKO hinaus bedarf es keiner konkreten Begutachtung der Impffähigkeit des Kindes.
Das Amtsgericht gab der Mutter, die das Kind nach den Standards der ständigen Impfkommission (kurz STIKO) impfen lassen wollte, recht. Der Vater, der gegen die im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung Beschwerde beim OLG Frankfurt einlegte, argumentierte, die Impffähigkeit des Kindes sei nicht per Sachverständigengutachten festgestellt worden.
Das OLG entschied mit Beschluss vom 08.03.2021, dass eine konkrete Begutachtung des Kindes im Rahmen des Verfahrens nicht notwendig sei. Es ging davon aus, dass die Empfehlung der STIKO als allgemeines, vorweggreifendes Gutachten anzusehen sei. Da die Empfehlung der STIKO vorsieht, die konkrete Impffähigkeit des Kindes ärztlich überprüfen zu lassen, bedürfe es darüber hinaus keiner weiteren Überprüfung.
Nach Sicht des OLG ist im Zweifel immer dem Elternteil der Vorzug bei der Entscheidungsfindung zu geben, dessen Ansatz mehr dem Kindeswohl entspreche. Es stellt sich also die Frage ob die Impfempfehlungen der STIKO grundsätzlich dem Kindeswohl entsprechen.
Die STIKO empfiehlt insbesondere die sogenannten MMR-Impfungen. Also Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln. Auch die Immunisierung gegen Tetanus, Diphtherie und Hepatitis B werden von der STIKO empfohlen.
Den Empfehlungen der STIKO zu folgen, entspricht dem Kindeswohl.
Über die generelle Impfempfehlung hinaus rät die STIKO aber gerade auch eine Vorgehensweise, die sich strikt danach richtet, was aus der Perspektive des Kindeswohls am sinnvollsten erscheint. Somit ist ein Vorgehen nach der STIKO Empfehlung nach Sicht des OLG Frankfurt equivalent mit dem für das Kindeswohl besten Konzept. Die Entscheidungsgewalt in Fragen der Impfung wird daher, der Argumentation des OLG folgend, wohl immer auf das Elternteil übertragen werden, welches den Empfehlungen der STIKO folgen möchte.
Das OLG Urteil stellt insofern eine Grundsatzentscheidung dar, die sich im Hinblick auf die Zulassung der Corona-Impfstoffe für Minderjährige als wegweisend zeigen könnte. Bald werden alle Erwachsenen, die sich impfen lassen wollen, geimpft sein und es wird sich die Frage stellen, ob Kinder geimpft werden können. Das Impfen von Kindern könnte einen erheblichen Einfluss darauf haben ob und wie Unterricht und Kinderbetreuung gewährleistet werden kann.
Durch das Urteil des OLG Frankfurt wird zumindest eines klar – die Empfehlung der STIKO wird eine entscheidende Rolle bei der Frage spielen: Impfen oder nicht impfen dürfen?