Das (zunächst) finale Kapitel meines Kampfes für die Rechte der Fluggäste
Wer meine Artikel aus dem Juni und Dezember letzten Jahres kennt, weiß, dass ich nicht nur aus professionellen, sondern auch aus persönlichen Gründen gegen ein Flugunternehmen vor Gericht gezogen bin, welches versucht hatte, die Rechte seiner Fluggäste massiv einzuschränken. Alleine über Weihnachten 2021 waren aufgrund der Pandemie über 7000 Flüge weltweit ausgefallen (Quelle Tageschau Artikel vom 27.12.2021). Seit Beginn der Pandemie Ende 2019/Anfang 2020 hat man das Gefühl, dass jeder zweite Flug annulliert wird. Mir zumindest wurden auf 2 von vier Flugreisen, die ich seit 2020 unternommen habe, Flüge annulliert. Während große Fluggesellschaften oft die Möglichkeit haben, attraktive Alternativflüge anzubieten und meist (mehr oder weniger) freiwillig die geforderten Ausgleichszahlungen leisten, versuchen gerade sogenannte „Billigflieger“ leider viel zu oft, sich um die von der Fluggastrechteverordnung vorgeschriebenen Verantwortung gegenüber ihren Gästen zu drücken.
So erging es auch mir, als ich im Juni 2021 mit meinem Partner nach Island fliegen wollte. Der Flug wurde 3 Wochen vor dem geplanten Datum annulliert und uns wurde lediglich die Erstattung der Tickets oder Flüge drei Tage vor oder nach dem gebuchten Termin angeboten. Da wir bereits sämtliche Unterkünfte, Aktivitäten sowie einen (sehr günstigen) Mietwagen für den Urlaub gebucht hatten, war es uns nicht möglich, alles um 3 Tage nach vorne oder hinten zu verschieben. Als die Fluggesellschaft sich weigerte, die uns gem. Art 5 und 8 der Fluggastrechteverordnung zustehende alternative Beförderung zu organisieren, buchten wir kurzerhand selbst Ersatzflüge mit einer anderen Airline und Transfer zum neuen Flughafen. Diese Kosten klagte ich sodann vor dem Amtsgericht Dortmund ein – und gewann!
Da ich von Anfang an die Fluggastrechteverordnung auf meiner Seite hatte, gab es bei mir keinen Zweifel, dass ich das Verfahren gewinnen würde. Die Anwälte der Fluggesellschaft schienen aber auch wenig motiviert und begingen einige grobe Patzer. So versuchten Sie erst in der mündlichen Verhandlung meinen Vortrag zu bestreiten und lieferten zu keiner Zeit eine Erklärung oder Entschuldigung für die Annullierung des Fluges. Die vage Andeutung auf die „besonderen Umstände“ während der Pandemie ließ die Richterin nicht gelten. Die Ausnahmesituation, welche sich aus den Umständen der Pandemie ergebe, so das Gericht, müsse nicht nur von Fluggästen, sondern auch von Fluggesellschaften beachtet werden. Diese müssten sich eben darauf einstellen, dass Gäste aktuell kurzfristiger stornieren würden. So wie Gäste mit den annullierten Flügen leben müssten. Auch den Versuch der Argumentation, dass die von mir gebuchten Ersatzflüge bei einer großen Airline ein Vielfaches der ursprünglich gebuchten Billigflüge gekostet habe und somit nicht vergleichbar sei, wies das Gericht sofort zurück. Den Fluggast träfe wohl eine Schadensminderungspflicht, dieser genügt er aber, indem er den günstigsten zur Verfügung stehenden Flug buche. Auch die Kosten für den Transfer zu einem anderen Flughafen seien abgedeckt, schließlich würde die Fluggesellschaft selbst auch Gäste bei Annullierungen mit einem Bus zu einem anderen Flughafen fahren.
Letztendlich bestätigte das Gericht nicht nur meine Rechtsauffassung, sondern auch meine Vermutung, dass es sich bei meinem Fall um einen Präzedenzfall handelt. Tatsächlich gab es bis zum 01.04.2022 keine deutsche Entscheidung über Schadensersatz wegen verweigerter alternativer Beförderung außerhalb des zweiwöchigen Zeitfensters vor dem ursprünglichen Flugdatum. Die Fluggesellschaft versuchte daher zu argumentieren, dass die Pflicht zu einer angemessenen alternativen Beförderung nur innerhalb dieses Zeitfensters von 14 Tagen vor dem Abflug bestünde. Hierfür findet sich weder im Gesetz noch in deutscher oder europäischer Rechtsprechung irgendein Ansatz. Alleine der Ausgleichsanspruch ist auf dieses Zeitfenster beschränkt. Dieser ist wohl auch der Grund, warum es bislang keinen gerichtlich durchgesetzten Schadensersatzanspruch außerhalb des 14-Tage-Fensters wegen verweigerter alternativer Beförderung in Deutschland gab. Die Kosten für einen Ersatzflug bzw. die Differenz zu den ursprünglich gebuchten Flügen liegt meist unter 500 EUR. Bei solch geringen Beträgen „lohnt sich“ für viele Fluggäste der Stress eines Gerichtsverfahrens nicht. Kommt der Ausgleichsanspruch hinzu, wird schneller eine Summe erreicht, bei der es sich „lohnt“ zu klagen. Ich kann nur jedem Fluggast raten, sich nicht von geringen Gewinnsummen oder falschen Behauptungen gieriger Fluggesellschaften abschrecken zu lassen. Bei Summen unter 1000 EUR ist ein Mahnverfahren der beste und schnellste Weg zum Ziel. Die Airline wird unter Zugzwang gesetzt und hat ein hohes Interesse berechtigte Forderung ohne die Investition von teueren Anwaltskosten schnell und ohne Präzedenzfall zu erledigen. Sie haben ebenfalls Ärger wegen annullierter oder verspäteter Flüge? Ich berate Sie gerne! Schreiben Sie mir einfach eine E-Mail an office@gutenberg-legal.de mit dem Betreff „Reiserecht“! Ich freue mich auf Ihre Anfrage.